wahlkabine.at: Ein Instrument politischer Bildung
Wahlen stellen den zentralen Mechanismus demokratischer Entscheidungsfindung dar. Zeitgenössische Demokratie ist ohne Wahlen undenkbar. Daher ist es wenig erstaunlich, dass sinkende Wahlbeteiligungen und geringes Interesse der Wählerinnen und Wähler an den politischen Positionen wahlwerbender Gruppen als ernsthaftes Problem für Demokratien angesehen werden. Andererseits aber gibt es nur wenige Überlegungen dazu, wie diesem mangelnden Interesse entgegenzutreten ist.
Mit dem Schlagwort "Politikverdrossenheit" wird das Problem als eine Art psychische Befindlichkeit der Bürgerinnen und Bürger definiert und damit aus dem Bereich politischer Verantwortlichkeit entfernt; wahlwerbende Parteien passen sich mit zunehmender Personalisierung und der Übernahme kommerzieller Marketingmethoden an die (vermeintlichen) Wünsche der Wählerinnen und Wähler an. Auch die inflationäre Zunahme von Umfragen und Ratespielen über den Wahlausgang tragen wenig zu echtem Interesse bei.
Denn das Kernproblem besteht in der Notwendigkeit, Wahlentscheidungen zu politisieren, sie also mit politischen Inhalten zu koppeln. Dieses Ziel kann nicht dadurch erreicht werden, dass den Bürgerinnen und Bürgern zugemutet wird, die Positionen der Parteien mühsam aus Programmen und Werbematerial zusammenzusuchen. Statt dessen müssen leicht zugängliche und attraktive Instrumente zur Information vor Wahlen entwickelt werden.
wahlkabine.at ist ein solches Instrument. Hier können sich interessierte Bürgerinnen und Bürger mit einem vergleichsweise geringen Zeitaufwand informieren und hier wird auch das Interesse derjenigen geweckt, die sich in ihrem Alltag wenig mit Politik auseinandersetzen.
Eine solche Möglichkeit war bei der Nationalratswahl 2008 wichtiger denn je, insbesondere für die 180.000 erstmals stimmberechtigten 16- und 17-Jährigen und die ca. 20% der Wahlberechtigten, die sich bis kurz vor der Wahl noch nicht für eine Partei entschieden hatten.
Doch auch für künftige Wahlen wird wahlkabine.at ein Instrument von großer Relevanz darstellen - etwa für die Südtiroler Landtagswahl am 26. Oktober 2008, zu der zahlreiche Parteien aus zwei Sprachgruppen antreten werden. Oder für die EU-Wahl im Juni 2009, die ja häufig aufgrund von Überlegungen entschieden wird, die mit den eigentlichen Wahlinhalten wenig zu tun haben.
Demokratie ohne politische Bildung verkommt zur Leerformel. Sinnvolle Programme zur politischen Bildung informieren die Bürgerinnen und Bürger schnell und gut verständlich über relevante Themen. Daher beteiligt sich die Österreichische Gesellschaft für Politikwissenschaft seit der ersten Internet-Wahlkabine im Jahr 2002 an diesem Projekt, mithilfe dessen wir unserer Aufgabe nachkommen können, die Verbreitung und gesellschaftliche Nutzung politikwissenschaftlicher Expertise zu fördern. Und der ungeheure Erfolg von Wahlkabine.at bei der Nationalratswahl 2008 zeigt nicht zuletzt, dass grundlegende Überlegungen zu demokratischer Politik auch für die Bürgerinnen und Bürger von hoher Relevanz sind.
29. September 2008
Content type | text
|
---|---|
Projects | wahlkabine.at Public Netbase |
Date | 29.09.2008 |