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Interview mit Klaus Schönberger

Klaus Schönberger ist empirischer Kulturwissenschafter und leitet seit 2009 die Vertiefung Theorie des Departements Kunst und Medien der Zürcher Hochschule der Künste (ZHdK). Er forscht und lehrt zu Fragen des Wandels der Arbeit, der Protestformen sozialer Bewegungen und zur alltäglichen Internetnutzung. Er veröffentlichte gemeinsam mit Ove Sutter „Kommt herunter, reiht Euch ein … Eine kleine Geschichte der Protestformen sozialer Bewegungen“ bei Assoziation A.

Klaus Schönberger ist empirischer Kulturwissenschafter und leitet seit 2009 die Vertiefung Theorie des Departements Kunst und Medien der Zürcher Hochschule der Künste (ZHdK). Er forscht und lehrt zu Fragen des Wandels der Arbeit, der Protestformen sozialer Bewegungen und zur alltäglichen Internetnutzung. Er veröffentlichte gemeinsam mit Ove Sutter „Kommt herunter, reiht Euch ein … Eine kleine Geschichte der Protestformen sozialer Bewegungen“ bei Assoziation A.

Welche Möglichkeiten bieten für Dich Modelle wie Public Netbase in Bezug auf eine zeitgemäße politische Praxis?
Klaus Schönberger:
Das sind jene Knotenpunkte oder Diskurse, die notwendig sind, um bestimmte Prozesse in Gang zu setzen, am Laufen zu halten, zu bündeln, zu reflektieren und wieder neu aufzusetzen. Das war und ist schon eine wesentliche Aufgabe von Institutionen wie Public Netbase; deswegen sind sie auch notwendig, deswegen braucht man sie, weil nur dort so etwas wie eine Verdichtung von Themen stattfinden kann. Das war eben auch das Verdienst von Public Netbase, so etwas für den Netzdiskurs geleistet zu haben; auch in Verbindung mit der nettime-Mailingliste und anderen Kontexten, die in den 1990er Jahren eine Rolle gespielt haben. Und wenn ich das in den Protestkontext von damals setze, dann ist klar, dass im Zuge der Bewegung gegen die schwarz-blaue Bundesregierung in Österreich eine Institution wie Public Netbase die nötige Infrastruktur zur Verfügung gestellt hat. Natürlich wurde die Bewegung dort nicht erfunden, aber die Bewegung konnte auf diesen Support zurückgreifen. Ich glaube, dass sich gerade in dieser konkreten Auseinandersetzung die besondere Bedeutung der Netbase gezeigt hat. Und obwohl die Geschichte der Netbase letztlich zu Ende ist, sind die Erfahrungen nicht verloren gegangen; diese können heute in anderen Zusammenhängen verwendet und neu zusammengesetzt werden.

Verbindest Du auch eine persönliche Erfahrung mit dieser Geschichte?
Klaus Schönberger:
Ich fand das schon sehr faszinierend, als ich das erste Mal im Museumsquartier war und die Räume von Public Netbase gesehen habe; diese Mischung, gleichzeitig den Diskurs voranzutreiben, aber auch eine Infrastruktur zur Verfügung zu stellen. Und die Vielfalt an Themen, die dort verhandelt wurde: sei es die Frage nach dem Urheberrecht, die Frage nach dem Recht auf eine Privatkopie oder die Art und Weise, wie das Phänomen der Digitalisierung noch einmal in einer ganz anderen Breite repolitisiert wurde. Das ist auch vor dem Hintergrund zu sehen, welche wichtige Rolle der Ort dann in der Auseinandersetzung um das Museumsquartier gespielt hat, als dieses umstrukturiert wurde; insbesondere, wie man heute sehen kann, im Hinblick darauf, wie auch hier versucht wird, alles einer Ökonomisierung zu unterwerfen. Und so wird daran symbolhaft deutlich, was sich in Österreich momentan ändert, dass es also auch langsam in Richtung einer europäischen „Normalität“ geht: diese Art der Konflikte um den öffentlichen Raum in der Frage, wie man so etwas wie das Museumsquartier bespielen kann und welchen Ort dann antagonistische Projekte überhaupt noch haben – das erscheint mir doch zusehends normal in Bezug auf europäische Verhältnisse.

Wobei im Fall von Public Netbase doch recht ersichtlich war, dass sowohl die Kündigung der Räumlichkeiten im Museumsquartier als auch die Kürzung der Basisfinanzierung mit dem Rechtsruck in der Bundesregierung einhergingen. Klaus Schönberger:
Da hab ich ein Problem mit einem Österreich- Spezifikum, weil die Diskussion in Österreich doch sehr stark über Gelder und Subventionen läuft, während in Resteuropa das viel nüchterner betrachtet wird. Es gab ja mal das böse Wort von der staatlichen Alimentierung der österreichischen Linken, und auch die Debatten laufen hier oft über die Subventionierungsschiene. Die Tatsache, dass da Gelder gestrichen wurden, ist meines Erachtens nicht das Entscheidende gewesen. Vielmehr handelt es sich dabei doch um ein untypisch-typisches Modell: untypisch für Europa, weil die Subventionen im Mittelpunkt standen, typisch in der Art und Funktionsweise des teilnehmenden Agitators, darum zu kämpfen und dies auch zu politisieren.

Dieser Kampf fand dann ja auch seinen Ausdruck in Wiederaneignungsstrategien öffentlicher Räume, die sich vor allem auf den Karlsplatz konzentriert haben. Siehst Du hierin einen Bruch in der Arbeit von Public Netbase?
Klaus Schönberger:
Es war eine andere Form der Politisierung, die stattgefunden hat, nachdem man keinen eigenen, festen Raum mehr hatte, oder keinen, der vergleichbar war mit dem im Museumsquartier. Das ist ja auch eine bestimmte Fähigkeit, sich zurückzuziehen und an anderen Orten wieder aufzutauchen. So wurde dann im Kontext des „Kunstplatz Karlsplatz“ die Aktion mit „Nikeground“ gemacht und später mit „System 77-CCR“ eine zivile Gegenüberwachungsanlage installiert. Das sind Beispiele dafür, dass man in öffentliche Räume intervenieren kann, ohne selbst diesen öffentlichen Raum zu besetzen oder gar zu besitzen. Nach dem Rauswurf aus dem Museumsquartier ist es Public Netbase gelungen, sich eben nicht auf diesen Eigenraum zu fixieren, sondern rauszugehen und andere Räume auf jeweils unterschiedliche Art und Weise zu bespielen; und eben auch medial Räume zu bespielen. Vielleicht ist das merkwürdig zu sagen, gerade wenn klar ist, dass es ein politischer Effekt war, die Netbase aus dem Museumsquartier zu werfen und in weiterer Folge die Gelder zu streichen. Aber es hat meiner Meinung nach auf eine andere Art dann wiederum nicht geschadet, um es paradox zu formulieren. Dieser Zwang, sich anders zu organisieren, andere Räume zu suchen, hat sie gezwungenermaßen in eine Situation gebracht, die ich politisch produktiv finde.

In Bezug auf das „Nikeground“-Projekt gab es ja dann auch die Kritik, dass es dabei bloß um einen künstlerischen Selbstzweck ging und weniger um eine politische Aktion. Wie siehst Du den Zusammenhang zwischen Kunst und Aktivismus in diesem Zusammenhang?
Klaus Schönberger:
Ich fand das immer schon eine merkwürdige Frage, also ob das jetzt eine künstlerische oder eine politische Aktion war. Es war ja beides! Es war eine politische Aktion mit künstlerischen Mitteln und hat auf einen ganz spezifischen Kontext gezielt, nämlich die zunehmende Ökonomisierung des öffentlichen Raums durch Konzerne, wie Nike einer ist. Und da wurde natürlich mit einer bestimmten Praxis der Kommunikationsguerilla gearbeitet, mit bestimmten ästhetischen Praktiken, mit bestimmten politischen Gruppen, die das mitgetragen haben. Ich verstehe das auch als eine sehr intelligente Form, in den öffentlichen Raum zu intervenieren oder sich diesen Raum temporär anzueignen. Und das war sicher auch eines der Verdienste von Public Netbase, dass da nicht getrennt wurde zwischen Kunst und Aktivismus, sondern dass das dort immer wieder zusammenfloss.

Nun beinhaltet ein Konzept wie „Nikeground“ aber auch das Spiel mit unfreiwillig Beteiligten, mit Menschen also, die so lange von dem Kontext der Aktion nichts wissen, bis das Ganze aufgelöst wird. Da hieß es dann auch, dass es hier nicht um eine politische Bewusstseinsbildung gegenüber der zunehmenden Kommerzialisierung öffentlicher Räume ging, sondern lediglich darum, die Leute an der Nase herum zu führen. Worin besteht also die politische Wirkung solcher Aktionen?
Klaus Schönberger:
Das Thema auf die Agenda zu setzen, ist schon Teil der politischen Wirkung! Die Tatsache, dass da Menschen an der Nase herum geführt werden, ist ein Aspekt, bei dem man diskutieren kann, ob das jetzt ethisch-moralisch vertretbar ist oder nicht. Worüber sich einige aber tatsächlich aufregen, wenn sie sich denn aufregen, ist der Umstand, dass hier mit falschen Informationen wahre Ereignisse geschaffen werden. Gegen diese Ansicht kann man sich sperren und sagen, dass man da an der Nase herum geführt wurde, oder aber erkennen, dass solche Aktionen zur Selbstaufklärung beitragen können. Mit dieser Art der Intervention hat man ein Thema auf die Agenda gesetzt, das vorher in dieser Weise nicht thematisiert worden ist oder aber aus einer anderen Perspektive, aus einer gewissen Selbstverständlichkeit heraus, eben dass öffentliche Räume zunehmend von kommerziellen Interessen besetzt werden. Deshalb finde ich auch den Vorwurf falsch, dass damit kein politisches Bewusstsein geschaffen wurde, denn es wurde ein bestimmter Prozess in den Mittelpunkt gestellt und der wurde auch sichtbar gemacht.

Da stellt sich natürlich auch die Frage der Affirmation, also ob hier nicht unfreiwillig Werbung für den Konzern gemacht wird? Inwieweit lässt sich heute überhaupt noch Kritik an den Verhältnissen üben?
Klaus Schönberger:
Das ist die Frage des Kollateralschadens: Wenn ich etwas überaffirmiere, wenn ich Überidentifikation betreibe, laufe ich immer ein Stück weit Gefahr, das zu verdoppeln. Ich verstehe nur diese Kritik nicht wirklich, also den Versuch, von einem sicheren Ort aus alles benoten zu dürfen, was in irgendeiner Weise nicht das Ganze – sozusagen das „Scheiß-System“ – in die Luft jagt. Unter dem macht es diese Kritik auch nicht! Ich finde, dass wir an Projekten wie „Nikeground“ lernen können, wie politische Handlungsmöglichkeiten, die zunehmend auf symbo- lischer Ebene stattfinden, zu entwickeln sind; also auch welche Fragen wir in diesem Zusammenhang stellen müssen. Und da wäre zu lernen, damit umzugehen, dass wir sowohl innen als auch außen sind, dass die Möglichkeit, sich ins Verhältnis zu setzen, selten ohne die Verhältnisse zu haben ist. Wir brauchen jedoch solche Formen der Intervention, um gesellschaftliche Widersprüche offen zu legen und naturalisierte Machtverhältnisse anzugreifen.

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