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Interview mit Wolfgang Sützl

Wolfgang Sützl ist Senior Research Fellow an der Universität Innsbruck, wo er ein Forschungsprojekt über Medienaktivismus leitet. Er hat an den Universitäten Innsbruck und Wien gelehrt, sowie in Spanien und Lateinamerika. Von 2000 bis 2006 war er Chief Researcher von World-Information.org, einer Non-Profit- Organisation, die kritische Öffentlichkeiten in den Bereichen Kunst, Wissenschaft und Technologie schafft.

Wolfgang Sützl ist Senior Research Fellow an der Universität Innsbruck, wo er ein Forschungsprojekt über Medienaktivismus leitet. Er hat an den Universitäten Innsbruck und Wien gelehrt, sowie in Spanien und Lateinamerika. Von 2000 bis 2006 war er Chief Researcher von World-Information.org, einer Non-Profit- Organisation, die kritische Öffentlichkeiten in den Bereichen Kunst, Wissenschaft und Technologie schafft.

In den Netzkulturen der 1990er Jahre fand eine eigenständige Theoriebildung statt, die sich bewusst außerhalb des akademischen Betriebs positionierte. Worin bestand für Dich das Spezifische an diesem Amateurwissen?
Wolfgang Sützl:
Dass es keiner akademischen Disziplin zuordenbar war, dass es sich grundlegend von jener Methode unterschied, die im akademischen Betrieb üblich ist. Ich habe das immer als zum Teil ironisierend wahrgenommen, dass man bewusst von Amateurwissenschaften gesprochen hat, von Public Research; und auch nicht den Anspruch erhoben hat, mehr als nur spekulative Theorieansätze zu machen, also keinen allgemeinen Gültigkeitsanspruch erhoben hat. Dabei wurde aber immer auch reflektiert, was man da gerade tut. Es ging darum, das eigene Tun zu verstehen – das war wichtiger, als das generierte Wissen in einen systematischen Zusammenhang zu bringen, wie das im akademischen Forschungsbereich so üblich ist.

Nun ließe sich aber sagen, dass sich gerade die deutschsprachigen Medienwissenschaften durch ein solches Reflexionswissen auszeichnen. Worin unterscheiden sich diese von den Theoriemodellen der 1990er Jahre?
Wolfgang Sützl:
Ich denke in der Disziplinarität bzw. Transdisziplinarität, also der Frage, ob etwas in eine bestimmte Disziplin eingeordnet werden kann oder nicht. Obwohl es heute zahlreiche medienwissenschaftliche Lehrgänge und Institute speziell im deutschsprachigen Raum gibt, wächst die Medienwissenschaft insofern über ein bestimmtes Level nicht hinaus, als sie dann doch immer an disziplinäre Schranken stößt. Man denkt sich sozusagen die anderen Disziplinen als etwas, das über der Medienwissenschaft drüber liegt. Die deutsche Medienwissenschaft ist da etwas anders als die angloamerikanischen Media Studies, wo sich diese Frage der disziplinären Zuordnung so nicht stellt. Aber wenn das als „reine Wissenschaft“ betrieben wird, dann steht die Frage immer im Raum, ob das jetzt Philosophie ist oder Soziologie oder doch etwas Technologisches.

Damit verknüpft ist ja auch die Frage nach dem Nutzen von Theorie, wie sie insbesondere in den Praxen der sogenannten „Netzpioniere“ gestellt wurde. Welchen Nutzen hatte die „unreine Theorie“ der frühen Netzkulturen?
Wolfgang Sützl:
Es ging diesen frühen Initiativen, wenn sie Theorie generiert haben, vor allem darum, das Mediale a priori mitzudenken und infolge auch mitzugestalten. Im Sinne von Benjamin glaube ich, dass man die Produktionswerkzeuge immer mitproduziert und begreifen muss, dass die Technologie nicht neutral ist, sondern eben das Wissen um sie in die technologischen Datenströme eingebettet ist. Es gibt bestimmte Technologien, die hier eine Rolle spielen, denn man übernimmt sie nicht einfach von irgendwo her, sondern gestaltet sie selbst mit. Ich glaube, in diesem Punkt unterscheiden sich die amateurhaften Netzkulturen ganz wesentlich von der akademischen Forschungskultur, die selten eigene Medien erzeugt, sondern im bestehenden medialen Kontext der Universitäten steckt. Auch aufgrund der institutionellen Schwerfälligkeit, weshalb es lange gedauert hat, bis es zu einem Umdenken an den Universitäten kam: dass man eben das Medium mitdenkt, dass man sich für das Medium, in dem man publiziert, zuständig fühlt.

Dies entspricht dann auch dem Do-it-yourself-Gedanken, der ebenfalls in den Netzkulturen der 1990er Jahren hochgehalten wurde.
Wolfgang Sützl:
Genau, nicht alleine das Mitdenken des Mediums, sondern auch das Mitgestalten desselben stand dabei im Mittelpunkt. Ich denke, dass das selten so eng miteinander verknüpft war – also die Wissensproduktion und die Produktion der Wissenstechnologien – , wie man das eben in der Zeit der frühen 1990er bewusst betrieben hat. Aber auch heute in Zusammenhang mit Open Source, wo der Standpunkt vertreten wird, dass ich erst das Produktionsmittel, also mein Medium, begreifen muss, um eine Theorie- und Wissensproduktion zu gewährleisten, die auch politischen Gehalt und Bedeutung hat. Das heißt, ich muss in der Lage sein, bestehende Hierarchien und Machtverhältnisse infrage zu stellen.

Du hast lange Zeit im Rahmen von World-­Information.org geforscht. Kannst Du kurz darstellen, welche Ziele dieser unabhängige Intelligence- Provider verfolgt?
Wolfgang Sützl:
Bei World-Information.org geht es vor allem darum, die globalen Zusammenhänge der Informationspolitik transparent zu machen. Wir sind davon ausgegangen, dass diese auf der einen Seite von weitgehend wirtschaftlichen Interessen, auf der anderen Seite von militärischen und staatlichen Interessen definiert werden; und dass das emanzipative Potenzial von globalen Datennetzwerken zu wenig gesehen beziehungsweise von diesen herrschaftlichen Interessen verunmöglicht wird. Zentrales Stichwort war die von Konrad Becker eingeführte Methode der Cultural Intelligence, eine Form der Informationsgenerierung, die sich außerhalb staatlich-politischer und wirtschaftlicher Interessen situiert. Es ging letztlich darum, einen Raum zu schaffen oder zu besiedeln, der in den Datennetzwerken vorhanden war, oder – anders formuliert – die soziale Bedeutung von Datennetzwerken neu zu lesen und anders mit ihnen umzugehen, als es Geheimdienste und Großkonzerne tun.

Gab es in der bisherigen Geschichte von World-­Information.org ein Beispiel, von dem Du glaubst, dass diese Aneignung der Datennetzwerke besonders gut funktioniert hat?
Wolfgang Sützl:
Für mich waren die Veranstaltungen in Brüssel und Bangalore herausragend. Brüssel deswegen, weil es wirklich genau im richtigen Moment und am richtigen Ort stattgefunden hat: Das war 2000, also gleich nach dem Dotcom-Crash und kurz nachdem die Echelon-Geschichte aufgedeckt wurde; und auch zu einer Zeit, in der die EU viele Entscheidungen treffen musste, in der auf verschiedenen Ebenen verhandelt wurde, was eine Informationsgesellschaft überhaupt ist und was daraus werden soll. Das war eine wirklich spannende Sache in Brüssel: die Thematik der Überwachung auf der einen Seite, auf der anderen die Frage nach den Möglichkeiten künstlerischer und aktivistischer Interventionen in diese Überwachungssysteme, aber auch schon innerhalb der Biotechnologie. Dann später passierte das noch einmal, als in Bangalore der Schritt in die globalisierte Informationsökonomie gemacht wurde: Bangalore als das IT-Zentrum von Indien und eines der Outsourcing-Zentren der ganzen Welt. Außerdem ist der Aspekt des urbanen Raums dazugekommen, der dort wichtig war und im ganzen Kontext der Globalisierung immer wichtiger geworden ist.

Was lässt sich Deiner Meinung nach aus den Erfahrungen der frühen Netzkulturen für das Leben in einer zunehmend vernetzten Umgebung lernen? Worin siehst Du die historische Bedeutung von Netzinitiativen wie Public Netbase?
Wolfgang Sützl:
Was man davon lernen kann, ist, dass es gute Gründe dafür gibt, mit neuen Technologien kritisch umzugehen. Das fehlt mir momentan. Es hat sich mit dem Web 2.0 ein Gefühl durchgesetzt, dass man sich keine Gedanken mehr darüber machen muss, denn es kann ohnehin jeder alles schreiben und publizieren. Aber dass man aus einer kritischen Perspektive darüber nachdenken soll, auf welchen Infrastrukturen und auf welchen ökonomischen Strukturen diese Technologien basieren, das kann man meiner Meinung nach aus der Arbeit von Public Netbase lernen und infolge auch anwenden. Es scheint mir so, dass man in das Web 2.0 mit einem gewissen naiven, völlig Politik-freien Technikverständnis reingeht. Ich glaube, an den Projekten der Public Netbase und anderer Initiativen der 1990er Jahre sieht man ganz gut, wie man sich kritisch mit den neuen Kulturtechnologien auseinandersetzen kann – und zwar auf eine sowohl transdiziplinäre als auch aktivistische Art und Weise. Was jetzt gefragt und wichtig wäre, ist, mit so einer kritischen Haltung in viele der Web 2.0-Technologien, in die ganzen sozialen Netzwerke hineinzugehen. Das passiert zwar, aber ich glaube, da ist von Institutionen wie Public Netbase ungeheuer viel Vorarbeit geleistet worden, auf die man zurückgreifen kann.

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