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Interview mit Herbert Gnauer

Herbert Gnauer absolvierte eine Schauspielausbildung und war danach in Österreich und der Schweiz engagiert. Seit 1992 ist er als EDV-Administrator und seit 1995 im Bereich neue Medien/Internet-Technologien tätig. Von 1996 bis 2002 war er für die technische Konzeption und Umsetzung bei Public Netbase zuständig. Von 2002 bis 2004 übernahm er die Projektentwicklung und -betreuung von PUBLIC VoiceLab und seit 2004 ist er als IT-Maschinist und freier Radiomacher bei ORANGE 94.0 beschäftigt.

Herbert Gnauer absolvierte eine Schauspielausbildung und war danach in Österreich und der Schweiz engagiert. Seit 1992 ist er als EDV-Administrator und seit 1995 im Bereich neue Medien/Internet-Technologien tätig. Von 1996 bis 2002 war er für die technische Konzeption und Umsetzung bei Public Netbase zuständig. Von 2002 bis 2004 übernahm er die Projektentwicklung und -betreuung von PUBLIC VoiceLab und seit 2004 ist er als IT-Maschinist und freier Radiomacher bei ORANGE 94.0 beschäftigt.

Du hast lange Zeit als Systemadministrator und Netzwerktechniker für Public Netbase gearbeitet. Anfang der 1990er Jahre waren solche Jobs noch eine Seltenheit. Wie bist Du dazu gekommen?
Herbert Gnauer:
Ich hatte im Rahmen meiner Mittelschulzeit EDVUnterricht, der nach heutigen Maßstäben wohl eher eine Lachnummer war – was nicht zuletzt der Unfähigkeit des zuständigen Lehrers geschuldet war. Ein gewisses Grundverständnis konnte aber auch dieser Lehrer nicht verhindern, und so habe ich dann Anfang der 1990er Jahre meinen ersten EDV-Job am Institut für Blutgruppenserologie am Wiener Allgemeinen Krankenhaus (AKH) bekommen. Dort habe ich dann Chico, der eigentlich Francisco de Sousa Webber heißt, kennengelernt, und er hat mir erzählt, dass er gerade dabei ist, gemeinsam mit Konrad Becker einen Verein namens Public Netbase zu gründen. Und da hat er mich eines Tages mit ins MuseumsQuartier (MQ) geschleift, wo sie gerade einen kleinen Raum über dem damaligen Depot bezogen haben und dort über die Universität Wien ans Internet angeschlossen waren. Das lief damals noch alles über Peter Rastl, der Leiter des Uni-Rechenzentrums war und als solcher das Internet nach Österreich brachte. Mehr oder minder war das ganze Land über das sogenannte Austrian Academic Computer Network (ACOnet) angebunden, wobei private Anschlüsse außerhalb der Uni-Strukturen anfangs noch un- bezahlbar waren und deshalb wohl auch so viele das Angebot von Public Netbase genutzt haben.

Wie sah das Angebot konkret aus?
Herbert Gnauer:
Zunächst wären da die wöchentlich stattfindenden Einführungsabende zu nennen, an denen Interessierten die Internettechnologie erklärt wurde. Das war eine wachsende Schar an Leuten, weil sich schnell herumgesprochen hat, dass man dort billig und unkompliziert ins Internet konnte. Und obwohl die Netbase an sich ja als Kunstserver gedacht und konzipiert war, ist anfangs auch nicht allzu stark kontrolliert worden, wer da nun eine Email-Adresse und Web-Space bekommen hat. Das hatte einerseits taktische Gründe, weil man ja durchaus auch neue Mitglieder anwerben wollte. Andererseits stand dahinter immer auch der kulturpolitische Auftrag, möglichst vielen Menschen einen Zugang zu diesen neuen Technologien zu verschaffen. Außerdem war uns eine allgemeine Verbreitung der vielzitierten Medienkompetenz ein Anliegen. Das Ganze ist dann so schnell gewachsen, dass wir 1997 in größere Räumlichkeiten innerhalb des MQ umgezogen sind. Mit dem dort eröffneten Mediaspace ergab sich dann gerade für Kunst- und Kulturschaffende die Möglichkeit, einen Nachmittag lang mit unbegrenztem Internet-Access und dem nötigen Support am eigenen Projekt zu arbeiten. Dahinter stand natürlich auch der Wunsch, Public Netbase stärker im Realraum zu verankern, um somit einen Kontrapunkt zur damaligen Cybereuphorie und deren Vorstellung von einer Überwindung des physischen Raums zu setzen. Denn uns ging es ja darum, das Internet für politische und kulturelle Initiativen innerhalb der Gesellschaft zu nutzen.

Woraus sich dann auch die Forderung nach einem „Zugang für Alle“ ergab?
Herbert Gnauer:
Ja, ganz genau! Und das hat nicht nur in Wien ganz gut funktioniert. In Österreich gab es neben Public Netbase noch die Stadtwerkstatt in Linz, Subnet in Salzburg oder Mur.at in Graz, die – bis auf die Netbase – auch heute noch existieren. Die haben alle ins selbe Horn gestoßen, was dazu führte, dass die Infrastruktur in Österreich mit dem ACOnet zwar lange Zeit von oben gesteuert wurde, die Netzkultur aber von unten heraus gewachsen ist. Das war lange bevor dann die kommerziellen Provider eingeritten sind und den Kulturinitiativen, die vor allem aus einem studentischen und künstlerischen Milieu kamen, das Wasser abgegraben haben.

Wer hat diese Plattformen zur Vermittlung von Medienkompetenz eigentlich genutzt?
Herbert Gnauer:
Das waren Leute aus ganz unterschiedlichen Bereichen, aus verschiedenen sozialen, aber auch unterschiedlichen Altersschichten. Klar, das Publikum in der Netbase war überwiegend jung, aber wir hatten auch ältere UserInnen – der Älteste hieß Titus und war mit über siebzig Jahren sicher ein „Early-Adopter“ innerhalb seiner Generation. Interessanterweise haben sich die etwas älteren, technik-affinen Männer aber verhältnismäßig schwer getan, weil sie noch aus einer Zeit stammten, in der man nach dem Kauf eines neuen Geräts zuerst einmal die Bedienungsanleitung zurate ziehen musste, weil man sonst Gefahr lief, das Gerät beim ersten Einschalten durch unsachgemäße Bedienung zu zerstören. Bei einem Computer ist die Verzweiflung da freilich schon vorprogrammiert, für dieses Herangehen sind die Bedienungsanleitungen schlicht zu umfangreich und komplex. Während Frauen derselben Altersschicht viel unvoreingenommener an die Sache herangegangen sind und sich daher auch wesentlich leichter getan haben. Aber wie gesagt, der Großteil war sicher ein junges, studentisches Publikum, oft auch mit einem künstlerischen Background, weil das die Zielgruppe des ganzen Projekts war. Und dann gab es noch die TouristInnen! Das kam daher, dass es damals in Wien noch keine Internet-Cafés, geschweige denn einen öffentlichen Zugang zum Internet gab. Die Folge war, dass die Netbase schließlich in diversen Reiseführern als Internet-Access-Point aufgelistet wurde und zu uns dann US-amerikanische TouristInnen kamen, um ihren Hotmail-Account abzufragen. Das hat aber schon bald unsere Kapazitäten gesprengt und wir mussten darauf achten, dass unsere eigentlichen UserInnen überhaupt noch einen Platz an den Rechnern bekamen.

Der Kampf um Ressourcen betraf nicht zuletzt die Bandbreitenproblematik. In Österreich war diese Frage eng mit der Monopolstellung der Post verknüpft, da diese die Leitungen künstlich verknappte und den Betrieb von Breitbandmodems verhinderte. Wie wurde das Monopol letztlich gebrochen?
Herbert Gnauer:
Das war die politische Arbeit von Oskar Obereder, der den SilverServer 1994 gegründet hatte und gemeinsam mit Franz Penz von ATNET den Vienna Backbone Service (VBS) aufgebaut hat. Die haben bereits 1996 schnelle Modemanbindungen (das heißt mehr als 28kbps) über Leitungen der Post angeboten und damit begonnen, auf eine Entbün- delung der sogenannten Wählämter hinzuarbeiten, was bedeutet, dass die Provider – gegen teures Geld wohlgemerkt – die Möglichkeit bekommen haben, über Zwei-Draht-Kupferleitungen der Post ihre eigene Infrastruktur aufzubauen. Das wurde später in einem juristischen Kleinkrieg gegen den sogenannten „Post-Terror“ schrittweise durchgesetzt. Mit dem neuen Telekommunikationsgesetz, das mit dem EU-Beitritt Anfang 1998 in Kraft trat, verlor die Post dann allerdings ihr Monopol auf die Kabelnetze und kommerzielle Provider wie der Silverserver, der ja ursprünglich auch aus dem Kunst- und Kulturbereich kam, konnten von nun an ihr eigenes Netz betreiben. Zur gleichen Zeit schränkte die Universität ihre Services für außeruniversitäre Einrichtungen zunehmend ein, da sie sich als physischer Backbone des Landes zurückziehen wollte. Aus diesem Grund haben sie dann begonnen, ihre Leistungen uni-intern zu verrechnen, was dazu geführt hat, dass wir uns bei Public Netbase von einem Tag auf den anderen die Uni-Anbindung nicht mehr leisten konnten und zum Silverserver gewechselt sind.

Worin besteht Deiner Meinung nach der Grund, dass es Public Netbase heute nicht mehr gibt?
Herbert Gnauer:
Das Ende der Netbase begann mit dem Antritt der rechtskonservativen Bundesregierung im Jahr 2000. Eine der ersten Amtshandlungen des designierten Kunststaatssekretärs, Franz Morak, war es ja, Public Netbase einer peinlich genauen Wirtschaftsprüfung unterziehen zu lassen, die im Endeffekt allerdings einen Persilschein ergeben und im Bundeskanzleramt eine mehrwöchige Schrecksekunde ausgelöst hat. Da haben sie wohl gemerkt, dass es auf die Schnelle nichts wird mit der Beseitigung von Public Netbase, die damals im Widerstand gegen die Bundesregierung sehr aktiv war, und haben dann eben die berühmte Salamitaktik angewandt. Die Folge war, dass Public Netbase aus dem damals gerade eröffneten MQ geflogen ist und die Basissubventionen stückchenweise gekürzt wurden. Die anfängliche Unterstützung von Seiten der Stadt Wien kam dann auch an ihr Ende, als die Netbase auf der Suche nach neuen Räumlichkeiten immer hartnäckiger wurde. Dabei ist zu betonen, dass man als Kunst- und Kulturinstitution die Hand, die einen füttert, auch mal beißen muss, weil das eben zu den Aufgaben solcher Institutionen zählt, vor allem wenn sie sich als kritisch verstehen. Das ist bei vielen PolitikerInnen in Wien nicht wirklich angekommen, und so hat der Kulturstadtrat, Andreas Mailath-Pokorny, letztlich beschlossen, dem „Spuk“ ein Ende zu bereiten. Allerdings dürfte er aus den Fehlern Moraks gelernt haben, indem er der Netbase nicht direkt auf den Leib rückte, sondern lieber andere vorschickte.

Damit sprichst Du einen Umbruch in der Wiener Netzkulturlandschaft an, der 2005/2006 erfolgt ist: Damals sollte im Auftrag der Wiener Kulturabteilung ein partizipatives Fördermodell zur Finanzierung der Netzkultur ausgearbeitet werden. Die hierfür verantwortliche Initiative NetzNetz entwickelte einen softwaregestützten Vergabemodus, der eine gegenseitige Bewertung der FördernehmerInnen vorsah, letztlich aber zu einem internen Verteilungskampf geführt hat. War die Szene hier einfach zu naiv und unbedarft, oder steckte dahinter ein Kalkül von Seiten der Stadt Wien?
Herbert Gnauer:
Inwieweit es da längere Vorbereitungen gab, weiß ich nicht. Fakt ist, dass Mailath-Pokorny vollmundig verkündet hat, Wien zu einer Welthauptstadt für Medien- und Netzkulturen zu machen und hierfür ein besonders innovatives Fördersystem entwickeln lassen wollte. Das war von Anfang an ein nicht ernstzunehmender Versuch, denn wäre es ernst gemeint gewesen, dann hätte man Leute gefragt, die eine Ahnung von solchen Dingen haben. Was stattdessen passiert ist: Man hat den Leuten, die sich unter dem Label NetzNetz formiert haben, einen kleinen Topf Geld hingestellt und ihnen gesagt: „Haut’s Euch drum!“ – und hat dann auch noch versucht, das als besonders innovativ zu verkaufen. Dass man die Entwicklung neuer, selbstverwalteter Entscheidungssysteme gerade auch im Kunstbereich fördern will, finde ich ja gut, nur kann man die Menschen damit nicht alleine lassen. Das ist in etwa so, wie wenn ich jemandem, der aus dem Flachland kommt, zwei Steigeisen hinschmeiße und von ihm verlange, damit die Nordwand zu besteigen, wobei er das Seil bitte schön auch noch da lassen soll, weil sich das dann schon von selbst finden wird. Und so wurde tatsächlich ein Entscheidungssystem entwickelt, das jeder Beschreibung spottet. Sie wollten das Rad neu erfinden und siehe da, es war dreieckig! So rumpelt und holpert das Ganze immer noch vor sich hin, wobei es nunmehr hauptsächlich um Einstiegsförderungen für die ganz Jungen geht, weil die können sich am wenigsten wehren. Und die Stadt Wien ist mit Public Netbase eine weitere, für sie unangenehm lästige Institution los. Das nennt man dann Nachhaltigkeit. Aber auch hier gilt, wie überall sonst, die Unschuldsvermutung.

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