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Interview mit Petja Dimitrova

Petja Dimitrova wurde 1972 in Sofia geboren und lebt seit 1994 als Künstlerin in Wien. Sie arbeitet zu aktuellen gesellschaftspolitischen Themen und verwendet dabei unterschiedliche Medien wie Video, Zeichnung, Print und neue Medien. Hieraus entstanden auch zahlreiche Kooperationen mit anderen Künstler/ innengruppen und NGO’s, u. a. mit dezentrale medien, a room of one’s own, Culturareisen, Initiative Minderheiten, Maiz und romani dori.

Petja Dimitrova wurde 1972 in Sofia geboren und lebt seit 1994 als Künstlerin in Wien. Sie arbeitet zu aktuellen gesellschaftspolitischen Themen und verwendet dabei unterschiedliche Medien wie Video, Zeichnung, Print und neue Medien. Hieraus entstanden auch zahlreiche Kooperationen mit anderen Künstler/ innengruppen und NGO’s, u. a. mit dezentrale medien, a room of one’s own, Culturareisen, Initiative Minderheiten, Maiz und romani dori.

Sobald man das Internet nicht als einen immateriellen Parallelraum versteht, sondern als eine Möglichkeit, in soziale und politische Prozesse einzugreifen, erhält auch die Aufgabe der Medienkompetenzvermittlung einen anderen Stellenwert. Du hast zusammen mit Public Netbase eine Reihe von Workshops durchgeführt, um damit auch die Frage einer freien Medienarbeit aus migrantischer Perspektive zu thematisieren. Wie kam es dazu?
Petja Dimitrova:
Die Zusammenarbeit mit Public Netbase hat 2001 begonnen. Das war zu einer Zeit, als der Rechtsruck im Zuge der schwarzblauen Regierungsbildung auch in der Stadt Wien deutlich zu spüren war, es aber nach wie vor bestimmte Fördertöpfe und den Zugang zu diesen Töpfen gab. Das passierte über informelle Netzwerke mit einigen Beamt/ innen, die gegen diesen Zustand waren und daher auch die notwendigen Informationen weitergeleitet haben. Damit war kurzfristig Geld vorhanden, um kritisch arbeiten zu können, bevor es dann zu den massiven Kürzungen im NGO-Bereich kam. Da haben wir mit der Initiative Minderheiten – wo ich gemeinsam mit Carlos Toledo, Eva Dertschei und Borjana Ventzislavova als Mitarbeiterin tätig war – das Projekt „dezentrale medien“ gestartet, das in den Räumlichkeiten der Public Netbase in der Burggasse stattfand. Das war ein Bildungsprojekt mit sogenannten benachteiligten Jugendlichen, unter anderem mit Migrationshintergrund, also vor allem Jugendlichen, die gerade ihren Hauptschulabschluss machten und denen wir das nötige Know-how im Umgang mit neuen Medien vermitteln wollten. Unter dem Titel „wien woanders“ konnten die Jugendlichen selbstständig Videos produzieren und diese dann Anfang 2003 im Wiener Tanzquartier präsentieren. Diese Projekte fanden also immer auch in einem Kunstkontext statt, und da haben wir Räume und Infrastrukturen gesucht, die sich mit unserem Budget ausgegangen sind.

Und daraus ergab sich die Kooperation mit Public Netbase?
Petja Dimitrova:
Genau! Die zweite Kooperation war im Rahmen einer EU-Gemeinschaftsinitiative namens „EQUAL“ – das war ein Projekt zur Arbeitsmarktintegration von benachteiligten und diskriminierten Gruppen. Hier war die Initiative Minderheiten verantwortlich für die Erstellung eines Trainingscurriculums, und ich habe als Mitarbeiterin der Initiative einen Linux-Kurs für Migrantinnen geführt. Dieser Workshop war vor allem für Frauen gedacht, die vom Arbeitsmarkt diskriminiert und ausgeschlossen wurden. Es ging also darum, diesen Frauen einen Zugang zu neuen Medientechnologien anzubieten und ihnen damit den Wiedereinstieg in den Arbeitsmarkt zu erleichtern. Die Kurse enthielten sowohl die Vermittlung von technischem Know-how als auch eine sozial-pädagogische Betreuung, wo nicht zuletzt die rechtliche Situation am Arbeitsmarkt besprochen wurde. Diese hat sich als sehr hart für die Beteiligten herausgestellt, also in welche Lage die Leute versetzt werden, um überhaupt Zugang zum Arbeitsmarkt zu bekommen oder als technisch-kompetent akzeptiert zu werden. Hinzu kam, dass Frauen, die aus ärmeren Verhältnissen kamen, keinen bzw. nur schwer Zugang zum Internet hatten. Es ging somit auch darum, sich überhaupt erst einmal zu trauen, mit dieser Technologie zu arbeiten.

Worin bestand hier das Potenzial neuer Medientechnologien, also auch in Hinsicht auf ein Empowerment von Migrant/innen durch Selbstorganisation?
Petja Dimitrova:
Da gab es zum Beispiel von Dezember 2003 bis März 2004 einen Workshop speziell für jugendliche Asylwerber/innen. Der hieß „Kein Asylverfahren im Word Wide Web“ und wurde auf Initiative von einigen Frauen aus dem Linux-Kurs gestartet. Die asylkoordination österreich hat Trainer/innen zur Verfügung gestellt, aber das Projekt wurde weitgehend selbst organisiert. Und jede/r, der/die wollte, ist da hinge- gangen. Das war schon interessant zu sehen, dass durch den Zugang zur Technologie Leute aus verschiedenen Bereichen zusammen kamen, um gemeinsam an bestimmten politischen Interessen zu arbeiten.

Warum ist Deiner Meinung nach der Zugang zu neuen Technologien hier besonders wichtig?
Petja Dimitrova:
Alleine schon aufgrund des technologischen Drucks, der heute immer größer wird! Es gibt ja ganz unterschiedliche Kenntnisse und Grade der Ausbildung, und so wurde diese Plattform für den Erwerb von technologischem Wissen auch aus verschiedenen Motivationen heraus genutzt. Manche hatten eben schon viel Vorwissen, aber weil dieses in Österreich oft nicht offiziell anerkannt wurde, war dies ein Weg, sich das zertifizieren zu lassen. Andere wiederum hatten einfach keinen Zugang zu diesen Technologien und damit auch nicht die nötigen Kenntnisse, um in den Arbeitsmarkt einsteigen zu können. Außerdem waren die Workshops nicht alleine dazu da, technische Kompetenzen zu vermitteln, sondern eben auch einen Raum für den sozialen Austausch anzubieten. Wenn sich Menschen treffen können und hierzu einen Freiraum zur Verfügung haben, dann ist es letztlich auch nicht so wichtig, wer über welche Vorkenntnisse verfügt. Es ging vielmehr darum, ein Umfeld zu schaffen, in dem man sich als Frau ohne bestimmten administrativen oder institutionellen Druck gleich viel wohler fühlt und wo man auch unter anderen Leuten ist, welche die gleichen Diskriminierungs- und Migrationserfahrungen gemacht haben. Dadurch entstand die Möglichkeit zum sozialen Austausch. Es ging also nicht alleine darum, einen Zugang zu neuen Technologien zu finden, sondern auch zu Gleichgesinnten.

Siehst du hierin einen Unterschied zu Bildungseinrichtungen und Vermittlungsstellen, wie sie heute funktionieren?
Petja Dimitrova:
Der Unterschied ist, dass der Leistungsdruck nicht so stark war und sich die Leute eben das genommen haben, was sie als nützlich empfanden. Da brauchte es keine Erklärung, warum man jetzt da ist und was unbedingt zu leisten wäre. Das war meiner Meinung nach ein großer Vorteil! Um zu überleben, sind heute viele NGOs gezwungen, ihr Bildungsangebot, also entweder Deutschkurse oder Bewerbungskurse, auf regulierte Weise anzubieten. Aber die Möglichkeit, durch freies, kreatives Erwerben von Know-how eine politische Bildung und Selbstartikulation zu ermöglichen, das ist zunehmend schwieriger geworden, weil es viel mehr an Ergebnissen orientiert ist. Ich denke, dass in Österreich vor allem das Arbeitsmarktservice (AMS) viel Interessantes abgedreht hat und nunmehr sehr viel mehr regulierend eingreift.

Angesichts der enormen Massenwirkung des „Web 2.0“: Welche Form der Medienkompetenz lässt sich heute eigentlich noch vermitteln?
Petja Dimitrova:
Ich denke, dass die Aufgabe einer bloßen Medienkompetenzvermittlung im engeren Sinn heute nicht mehr so relevant ist, weil eben viele Leute im Privathaushalt Geräte stehen haben und es auch nicht mehr diesen Zugangsmangel zu den Technologien gibt. Was aber fehlt, ist die politische Auseinandersetzung mit diesen Technologien, und hier müssen wir uns erneut überlegen, wie man die digitalen Netzwerke mit den realen Räumen verknüpfen kann. Damals ging es uns ganz einfach um den technologischen Zugang, weil die Leute sich oft nicht getraut haben, mit der Technik zu arbeiten. Aber da hat sich was verändert. Heute geht es weniger um ein spezifisches technologisches Know-how, als vielmehr um die Frage, wie diese Räume – ob nun real oder digital – für einen Politisierungsprozess, also als Vermittlungsräume für politische Arbeit verwendet werden können.

Content type
text
Projects Vergessene Zukunft - Radikale Netzkulturen in Europa
World-Information Institute
Date 2012
Location Vienna

Tags

freie Medienarbeit Empowerment Medienkompetenz Bildungsprojekt Borjana Ventzislavova Eva Dertschei asylkoordination österreich
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