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Interview mit Marko Peljhan

Marko Peljhan ist ein Konzeptkünstler, der an den Schnittstellen von Kunst, Technologie und Wissenschaft arbeitet und derzeit an der Universität von Kalifornien in Santa Barbara unterrichtet. Er war Mitbegründer des Ljubljana Media Lab (Ljudmila) in Slowenien und initiierte das Makrolab-Projekt, ein mobiles Labor zur Erforschung von Telekommunikations-, Migrations- und Wetterströmen. Seine Arbeiten wurden international ausgestellt, unter anderen bei der documenta, der Venedig Biennale und der Ars Electronica.

Marko Peljhan ist ein Konzeptkünstler, der an den Schnittstellen von Kunst, Technologie und Wissenschaft arbeitet und derzeit an der Universität von Kalifornien in Santa Barbara unterrichtet. Er war Mitbegründer des Ljubljana Media Lab (Ljudmila) in Slowenien und initiierte das Makrolab-Projekt, ein mobiles Labor zur Erforschung von Telekommunikations-, Migrations- und Wetterströmen. Seine Arbeiten wurden international ausgestellt, unter anderen bei der documenta, der Venedig Biennale und der Ars Electronica.

Ein wesentlicher Aspekt der europäischen Netzkulturen war der frühe und rege Austausch zwischen Ost- und Westeuropa kurz nach dem Fall des „Eisernen Vorhangs“. Du warst damals Mitbegründer von Ljudmila, einem slowenischen Medienlabor, das schon bald zu einem wichtigen Knotenpunkt in der Netzkulturszene werden sollte. Wie kam es dazu?
Marko Peljhan:
Ljudmila wurde 1994 von einer Gruppe slowenischer KünstlerInnen und AktivistInnen auf einer Art Computermesse in Ljubljana gegründet. Damals wurde den Leuten allmählich klar, dass es da einige KünstlerInnen gibt, die mit den neuen Technologien arbeiten, und deshalb wurde ein Treffen auf dieser Messe organisiert. Dort wurde beschlossen, dass wir etwas Gemeinsames auf die Beine stellen wollen, und mit Hilfe des Open Society Institute (OSI) haben wir dann Ljudmila aufgebaut. Der Name ist einerseits ein alter weiblicher Vorname, andererseits ein Akronym für Ljubljana Media Lab. Uns war es dabei von Anfang an sehr wichtig, nicht bloß mit Internettechnologien zu arbeiten, sondern alle möglichen Medien, also auch Audio und Video, zu verwenden. Da der Content zu Beginn freilich noch gering war, haben wir auch früh damit begonnen, uns mit unseren unmittelbaren Nachbarn, wie etwa Public Netbase in Wien, zu vernetzen. Über Vuk Cosic entstand dann auch der Kontakt mit nettime, und ab 1996 war natürlich die Syndicate-Mailingliste, die ja speziell für den Austausch zwischen Ost- und Westeuropa aufgesetzt wurde, äußerst wichtig. Über letztere haben sich dann auch viele Verbindungen innerhalb von Ost- und Südosteuropa ergeben, beispielsweise nach Belgrad, wo die Leute inmitten eines Krieges lebten, oder nach Riga, wo Rasa Smite und Raitis Smits gerade das Medienzentrum E-Lab aufbauten. Ich denke, es ist interessant, die Geschichte der Netzkulturen auch von dieser Seite her zu betrachten, also aus einer osteuropäischen Perspektive, zumal sich die einzelnen Institutionen zuerst einmal untereinander vernetzten, bevor sie dann Kontakte in den Westen aufbauten. So hat das Ganze angefangen, das war der Beginn dieser Bewegung!

Neben dem Austausch über Mailinglisten gab es auch Real-Life-Meetings, wo sich die Leute, die sich ja meist nur über Mailverkehr kannten, auch einmal zu Gesicht bekommen sollten. Im Mai 1997 fand dann ein solches nettime-Treffen mit dem schönen Namen „The Beauty and the East“ in Ljubljana statt. Welche Idee stand dahinter?
Marko Peljhan:
Wie vorhin erwähnt, hatten wir schon früh Kontakt zu den Leuten von nettime und so hatten wir die Idee, eine Konferenz mit ihnen zu organisieren. Es gab damals eine starke Verbindung zwischen Ljubljana und Budapest; dort arbeitete zu dem Zeitpunkt Diana McCarthy, die wiederum mit Pit Schultz, einem der Gründer von nettime, in Kontakt stand. Sie kam zu uns nach Ljubljana, und wir haben gemeinsam diese nettime-Konferenz organisiert. Wir haben beinahe alle eingeladen, die auf der Liste aktiv waren und an einem interessanten Projekt arbeiteten. Die Organisation der Konferenz lief dabei parallel mit den Vorbereitungen zum „Hybrid Workspace“ auf der documenta X in Kassel, wo dann ja auch die typischen nettime-Themen, also Netzkritik, Netzkunst, Ost-West- Gefälle usw. diskutiert wurden. Wir befanden uns damals also in einer sehr spannenden Situation, und es gab viele Überschneidungen – sowohl was die Themen also auch die Leute betraf. Gerade das Treffen in Ljubljana schuf einen wichtigen Moment innerhalb der Netzkulturen, natürlich auch aufgrund des physischen Zusammentreffens, was damals, als alle vom Cyberspace sprachen, besonders wichtig war.

Im Gegensatz zur Vorstellung einer virtuellen Parallelwelt symbolisierten diese Real-Life-Treffen ja auch den Wunsch, in real existierende Räume politisch, kulturell und künstlerisch einzugreifen. nettime wurde in diesem Zusammenhang immer wieder als „Europäische Alternative“ zur „Kalifornischen Ideologie“ – wie sie vor allem von der US-amerikanischen Zeitschrift Wired vertreten wurde – bezeichnet.
Marko Peljhan:
Ich würde es nicht wirklich als eine „Europäische Antwort“ auf ein US-amerikanisches Modell bezeichnen, da nettime schon sehr früh starke Beziehungen zur Ostküste der USA unterhielt und daher vielmehr transatlantisch ausgerichtet war. Es stimmt, die Diskussion auf der Liste war lange Zeit von einem spezifischen Wired-Bashing geprägt, weil man sich von dieser rein affirmativen Haltung gegenüber der „digitalen Revolution“ abgrenzen wollte. Aber wir haben dann auch einen Wired- Mitarbeiter zu der Konferenz in Ljubljana eingeladen, um die Wogen ein wenig zu glätten. nettime hat sich also immer als eine internationale Gemeinschaft verstanden und als eine Plattform zur kritischen Reflexion, vor allem in Bezug auf Themen, die sich mit einer zunehmend vernetzten Umgebung auseinander setzten. Dadurch stand die Liste auch in einem Näheverhältnis zur „Next Five Minutes“-Konferenz, die erstmals 1993 in Amsterdam stattfand und wo in weiterer Folge die Frage einer taktischen Mediennutzung diskutiert wurde. Es gab damals eine Art Verschmelzung verschiedener technologischer Paradigmen, die zu dem Versuch führte, eine eigene Medienrealität herzustellen. So wurde ja auch der Zugang zu den Technologien immer leichter, und dein eigener Heimcomputer konnte als Server dienen, solange du eine gute und leistbare Internetverbindung hattest. Damit entstand aber auch ein unglaublicher Hype, der letztlich von der EU aufgegriffen wurde, um den Anschluss zu den USA nicht zu verlieren. Als die EU die neuen Technologien für sich entdeckte, haben sie die Netzkultur zunehmend gentrifiziert, indem sie unsere Ideen einfach übernommen haben.

Du hast die „tactical media“ angesprochen: Welche Rolle spielten diese in deiner eigenen Arbeit?
Marko Peljhan:
Da gibt es eine interessante Geschichte dazu: Eines der Resultate aus dem Treffen in Ljubljana war ja das erste nettime-Buch mit dem Titel „ReadMe!“, welches dann 1999 veröffentlich wurde. Ich sollte für dieses Buch einen Text schreiben, in dem es um den Einsatz taktischer Medien zur zivilen Gegenüberwachung ging. Der Beitrag ist aber niemals erschienen, und ich weiß bis heute nicht, was da genau vorgefallen ist! Aber ich habe die Idee nicht aufgegeben und weiterhin an diesen Dingen gearbeitet, bis sie letztlich auch umgesetzt werden konnten.

Eines dieser zivilen Gegenüberwachungssysteme hast du 2004 gemeinsam mit Public Netbase im Wiener Stadtraum realisiert. Worum ging es in diesem Projekt und wie wurde es umgesetzt?
Marko Peljhan:
Es ging dabei um einen ganz spezifischen Kontext: Damals fanden in Wien ja noch immer Demonstrationen gegen die rechtskonservative Bundesregierung unter Wolfgang Schüssel statt, und Public Netbase war da von Anfang in alle möglichen Kämpfe involviert. Konrad Becker hat mir dann vorgeschlagen, ein Projekt zu machen, welches sich eben genau mit solchen technologischen Aneignungsstrategien auseinandersetzen sollte. Wir haben dann ein fiktives Konsortium namens „System-77 Civil Counter-Reconnaissance“ gegründet und behauptet, der Zivilgesellschaft mithilfe von unbemannten Flugobjekten nun endlich den nötigen Informationsvorsprung gegenüber dem Geheimdienst, der Armee, aber auch ganz konkret gegenüber der Polizei ermöglichen zu können. Das Ganze wurde dann auch als politische Demonstration angemeldet, und wir haben am Karlsplatz eine echte Gegenüberwachungsanlage installiert. Aus dem Innenministerium hieß es dann, dass die von staatlicher Seite vorangetriebene Ausweitung der Überwachungssysteme keinen „Freibrief für sogenannte Gegenüberwachungen“ darstellen würde, was doch sehr bemerkenswert ist. Das Projekt lief also im Grunde auf zwei Ebenen: Zum einen gab es diesen ganz spezifischen Wiener Kontext, wo es mit dem Rechtsruck im Jahr 2000 immer wieder zu politischen Konflikten kam, die sich auch auf der Straße niederschlugen; zum anderen wollten wir ein Bewusstsein dafür schaffen, inwieweit diese ganzen Kontroll technologien bereits in unser Alltagsleben vorgedrungen sind, und dabei die Frage stellen, inwieweit es legitim ist, sich diese Technologien auch selbst anzueignen. Darin bestand sicher ein Zusammenhang zur Konzeption taktischer Medien, wie sie in den 1990er Jahren entwickelt wurde.

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