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Öffentlicher Raum und politische Öffentlichkeit. Public Netbase in Wien

Im Jahr 1995 öffnete das Institut für Neue Kulturtechnologien die Räumlichkeiten von Public Netbase im Wiener Museumsquartier (MQ). Im Jahr 2005 wurde aus der „Public Netbase“ die „Netbase“, nachdem ständige Reduktionen der Finanzierung die Notwendigkeit der Beschränkung der öffentlichen Aktivitäten nach sich zogen. Und 2006 wurde schließlich auch die Netbase stillgelegt.

Im Jahr 1995 öffnete das Institut für Neue Kulturtechnologien die Räumlichkeiten von Public Netbase im Wiener Museumsquartier (MQ). Im Jahr 2005 wurde aus der „Public Netbase“ die „Netbase“, nachdem ständige Reduktionen der Finanzierung die Notwendigkeit der Beschränkung der öffentlichen Aktivitäten nach sich zogen. Und 2006 wurde schließlich auch die Netbase stillgelegt.

Zwischen den Begriffen „neue Kulturtechnologien“, „Netbase“ und „Öffentlichkeit“ lassen sich die Aktivitäten und die Bedeutung der Public Netbase verorten. Immer ging es um politische Öffentlichkeit und deren Veränderungen durch Technologien, die Vernetzungen im virtuellen Raum ermöglichen. Im Unterschied zu vielen – auch später entstandenen – Initiativen verfiel die Public Netbase dabei aber nie einer kruden bipolaren Gegenüberstellung von virtuellen und realen Räumen und entkam so auch der Gefahr der (positiven oder negativen) Mythologisierung virtueller Realitäten.

Denn die Aktivitäten der Netbase waren nicht von Technikgläubigkeit angeleitet, sondern von politischem Denken als Denken des demokratischen Konflikts. Und dieser Konflikt ist stets – mindestens auch – ein Streit um Öffentlichkeit, um öffentlichen Raum, sei er nun real oder virtuell.

Der Streit um diesen Raum begann im Museumsquartier, einem Projekt, das exemplarisch die zahlreichen Verwirrungen der österreichischen Kulturpolitik zeigt. Nachdem die Gebäude der ehemaligen Hofstallungen durch den Auszug der Wiener Messe ab Beginn der 1980er leer standen, begann eine Debatte um deren Nutzung. Eigentlich müsste es einen Glücksfall für jede zeitgemäße Kulturpolitik darstellen, wenn Ge- bäude und Freiflächen in zentraler Lage frei werden und damit die Chance eröffnen, dem kulturellen Erbe zeitgenössische kulturelle Produktion gegenüber zu stellen. Das Fehlen ernst zu nehmender kulturpolitischer Debatten in Kombination mit dem Bemühen, unterschiedliche Interessen ohne jegliches Gesamtkonzept zu befriedigen, machte aus diesem Glücksfall allerdings eine jahrzehntelange Peinlichkeit, die sich schließlich in einer beruhigend langweiligen Wiederholung internationaler Museumsprojekte auflöste, die – im Unterschied zu manchen von diesen – noch nicht einmal architektonisch reizvoll ist. Dafür ist sie allerdings durchaus praktisch für Wien-Tourist_innen, die nun mehrere traditionelle Museen in unmittelbarer Nähe zueinander vorfinden. Im Zuge der Auseinandersetzungen vor der endgültigen Nutzungsentscheidung wurden erhebliche Mengen von Papier mit Meinungen zu allem Möglichen bedruckt – nicht allerdings mit Überlegungen zu kulturpolitischen Zielsetzungen und den notwendigen Prozessen, um diese zu erreichen.

Doch in dieser ebenso wechselvollen wie uninteressanten Geschichte gab es tatsächlich ein paar Jahre, in denen das Museumsquartier Ort zeitgenössischer kritischer Kulturproduktion und -theorie war. In dieser Zeit, den Jahren von 1995 bis 1999, war der Großteil des Geländes eine unbenützbare Baustelle – was 20 Jahre nach Beginn der Diskussionen um dieses Areal einigermaßen unbefriedigend erschien. Daher war dem Management jede Art der Belebung recht, sogar die durch kritische Institutionen. Und in dieser Zeit konnte man in notdürftig adaptierten Räumen zwischen Baugeräten mit international renommierten Politik-, Kunst- und Medientheoretiker_innen diskutieren – im depot, in der basis wien und eben in der Public Netbase. Und nebenbei konnte man in Letzterer auch den Umgang mit neuen Medien lernen und ausüben.

Mit den Baugeräten wurden dann auch die kritischen Stimmen im Museumsquartier entsorgt. Nicht ohne Widerstand – mit der Aufstellung eines Militärzelts visualisierte die Public Netbase die zunehmend rigidere Politik des Museumsquartiers, nachdem ihr Beitrag zur offiziellen Eröffnung des Areals abgelehnt worden war. Dieser Beitrag hätte die anonymisierte Masse der Besucher_innen in die Feierlichkeiten einbezogen, indem vor Ort erstellte Textbotschaften, Grafiken und Animationen an die Fassade der ehemaligen Hofstallungen projiziert werden sollten. Eine derart unberechenbare Kunstpraxis erschien den Veranstalter_innen wohl als zu gefährlich – denn zu diesem Zeitpunkt war im Museumsquartier kein Platz mehr für die Aktivitäten der Initiativen, die der Baustelle dort zu kulturellem Leben verholfen hatten. Aus politischer Öffentlichkeit wurde Mehrheitsfähigkeit und aus dieser sehr rasch möglichst umfassende Kommerzialisierung. Innovation und Kreativität sollen nun durch Repräsentant_ innen der Creative Industries gewährleistet werden, die in erster Linie nach dem Kriterium ausgewählt wurden, ob sie sich die Mieten im Museumsquartier leisten können und wollen, für die ihnen unattraktive Räumlichkeiten in wenig inspirierender Gesellschaft geboten werden. Das Quartier 21 reduziert einerseits kulturelle Produktion auf die Produktion von Profit – und trägt andererseits wenig dazu bei, dass diese Profite tatsächlich realisiert werden können. Wirkliches Geld wird im Museumsquartier in erster Linie in der Gastronomie verdient, die denn auch die großzügigen Freiflächen mehr und mehr besetzt und andere Nutzungen ausgrenzt. Auch das nichts wirklich Neues – nicht nur im Museumsquartier wird öffentlicher Raum in erster Linie als Ausweichfläche gastronomischer Betriebe verstanden sowie als möglichst glatte Fläche für Repräsentation konfliktfreier Stadtkultur.

In Wien gibt es eigentlich nur wenige öffentliche Bereiche, die diesem Postulat nicht entsprechen – doch auch diese sollen „gesäubert“ und damit denjenigen entzogen werden, die auch in jeder anderen Hinsicht marginalisiert sind. Das gilt etwa für den Karlsplatz, einem innerstädtischen Verkehrsknotenpunkt, der trotz zahlreicher Grünflächen aufgrund von Fehlplanung wenig attraktiv ist und außerdem ein Zentrum der hiesigen Drogenszene darstellt. Gegen beides – die Unattraktivität für „normale“ Bürger_innen (und auch Tourist_innen) und die Nutzung durch Drogensüchtige – soll Kunst ins Treffen geführt werden – zur Behübschung für die einen und zur Abschreckung der anderen.

Dass Kultur andere Leistungen für den öffentlichen Raum erbringen kann, zeigte Public Netbase im Jahr 2003. Die Fakes einer „Bürgerinitiative ‚Öffnet den Karlsplatz‘“ ironisierten die populistischen Kampagnen der Kronenzeitung und ihrer Leser_innen. Das Symposion „Open Cultures“ widmete sich ebenso wie das „Free Mediacamp“ im Sommer des gleichen Jahres den Themen Öffentlichkeit und freier Zugang zu Bildung und Medien auf andere Weise. Und die Umbenennung des Karlsplatz in „Nike-Platz“ verdeutlichte schließlich auf künstlerische Art eine der größten Gefahren demokratischer Öffentlichkeit: die Vereinnahmung durch große Konzerne.

Es ist wenig erstaunlich, dass diese Aktivitäten nur zu geringen Reibungsverlusten bei der Verfolgung des ursprünglichen Konzepts des „Kunstplatzes Karlsplatz“ führten. Mittlerweile ist der Karlsplatz auf dem besten Wege, dem Museumsquartier und damit allen anderen hoch subventionierten Kultureinrichtungen dieser Stadt auf gleichem Wege nachzufolgen. Nicht das Aufzeigen von und der Umgang mit Konflikten wird der Kultur zugemutet, sondern deren kontinuierliche und konsequente Vertuschung. Niemand zweifelt daran, dass Drogen weiterhin konsumiert und daher auch gehandelt werden – doch dank künstlerischer Bemühungen wird das in Zukunft weniger sichtbar sein.

Immer wieder schlägt die Logik des Systems diejenigen, die diese Logik sichtbar machen und dekonstruieren. Dies ist weder neu noch ortsspezifisch, sondern bestimmt den Kontext kritischer kultureller Arbeit. Wienund österreichspezifisch hingegen ist die machtbeflissene Paranoia der Stadtverwalter_innen, denen ihre Etappensiege gegen eine konsequent unangepasste Initiative nicht genügten, sondern die diese Initiative qua Entzug von Finanzierung endgültig vernichten mussten. Demokratie, verstanden als demokratischer Konflikt um gesellschaftliche Ziele und Werte, ist stets ein prekäres Konzept – doch nicht in allen Fällen führt Prekarität zu Auflösung.

Und selbstverständlich muss eine solche Auflösung, Zerstörung von Infrastruktur, Erfahrung und Wissen irgendwie legitimiert werden. Im konkreten Fall gelang das durch eine Reduzierung der Aktivitäten der Public Netbase auf ihren technologischen Anteil. In diesem Sinne argumentierte schon eine Mitarbeiterin des glücklosen Staatssekretärs Franz Morak: „Das Internet ist doch eh schon überall, wozu dann so eine teure Institution?“

Und folgerichtig wurden verschiedene existierende Internetinitiativen ins Treffen geführt, um die Notwendigkeit der Public Netbase zu bestreiten. Als wäre es bei der Public Netbase tatsächlich in erster Linie um das Internet gegangen. Als ließe sich politische Öffentlichkeit auf die Möglichkeiten ihrer medialen Vermittlung reduzieren. Und als wäre politische Öffentlichkeit realisiert, solange es diese Möglichkeiten gibt.

Hier handelt es sich nicht um ein Missverständnis von Kulturverwalter_ innen, die ihrer Aufgabe nicht gewachsen sind, sondern um eine bewusste Fehldarstellung dessen, worum es geht: nämlich um Demokratie, die an realen und virtuellen Orten stattfindet; für die offener Zugang eine Grundbedingung ist, die von der Public Netbase durch Schulungen und kostengünstigen Serverspace gewährleistet wurde; die sich aber auch am konkreten Umgang mit realen Räumen misst. Sie misst sich etwa daran, ob man um Sichtbarkeit im Museumsquartier kämpft oder sich mit einem zugewiesenen Plätzchen im Quartier 21 zufrieden gibt; oder daran, ob man Definitionsmacht über prominente Plätze bestreitet oder sein Auslangen im virtuellen Raum findet.

Aber wozu soll Demokratie auch stattfinden, wenn es doch offensichtlich ist, dass alle zufrieden sind: die Museumsbesucher_innen, die dem Museumsquartier immer wieder neue Erfolgsmeldungen bescheren, die Restaurantgäste und Bocciaspieler_innen und bald auch diejenigen, die sich beim Über- oder Unterqueren des Karlsplatz an weitgehend belangloser Kunst erfreuen können? Wen kümmert dann noch, was und wer von diesem offensichtlichen Wohlbehagen ausgeschlossen ist, was verdrängt wird, unsichtbar wird? Um das Nicht-Offensichtliche sichtbar zu machen, braucht es Initiativen, die öffentlichen Raum nicht mit Stadtraumbehübschung verwechseln. Die aber haben nur Platz in einer politischen Öffentlichkeit, nicht in einem (angeblich) öffentlichen Raum, der sich als „urbanes Wohnzimmer“ (MQHomepage) versteht.

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