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Free Bitflows: Editorial. Free Bitflows: Cultures of Access and Politics of Dissemination. Wien, 02. bis 18. Juni 2004

Und der Gewinner ist: das Netzwerk! Von allen überschätzten und aufgeblasenen Konzepten zu neuen Medien vor dem Crash ist das Netz das einzige, das eine ausgedehnte Begegnung mit der Realität überlebt hat. Tatsächlich hat es nicht nur überlebt, sondern konnte sogar prächtig gedeihen. Viele der interessantesten Projekte und Debatten im Bereich der Medienkultur der letzten Zeit können als Schritte in Richtung einer „Netzwerkpraxis“ verstanden werden.

Gewinner ist: das Netzwerk! Von allen überschätzten und aufgeblasenen Konzepten zu neuen Medien vor dem Crash ist das Netz das einzige, das eine ausgedehnte Begegnung mit der Realität überlebt hat. Tatsächlich hat es nicht nur überlebt, sondern konnte sogar prächtig gedeihen. Viele der interessantesten Projekte und Debatten im Bereich der Medienkultur der letzten Zeit können als Schritte in Richtung einer „Netzwerkpraxis“ verstanden werden.

Solche Praktiken zu entwickeln, ist ein viel komplexeres Unterfangen, als sich die Instant-RevolutionärInnen mit ihren technischen Prophezeiungen je vorgestellt hatten. Natürlich hat Technologie – die materielle Basis für „Netzwerkpraxis“ – eine Bedeutung, und wir müssen offene Technologien aus der tödlichen Umklammerung des industriellen Sicherheitsapparats retten. Dieser Kampf ist noch lange nicht vorbei, aber die Allianzen rund um Open Source-Software, die Hauptausführenden dieser Schlacht, werden immer stärker, besser organisiert und selbstbewusster. Bestens, wenn das ein Grund für Optimismus ist. Die technologischen Aspekte sind jedoch noch nicht das ganze Bild. Was wir heute sehen, ist die Neuschaffung sozialer Netzwerke rund um die Etablierung technologischer Netze. Die Aufsätze auf der Seite http://freebitflows.t0.or.at und das gesamte Exstream-Projekt, auf dem diese Publikation fußt, sind ein Beitrag zu diesem anhaltenden Erkundungsprozess.

Wie könnte eine offene, kollaborative Netzwerkpraxis, die auf dem Teilen von Ressourcen begründet ist, eigentlich aussehen? Wie schaffen wir Netzwerke, die flexibel sind, aber gleichzeitig nachhaltig und permanent? Die Gefahren sind bekannt und können jeden Tag beobachtet werden. Während der „flexible Lebensstil“ der KünstlerInnen im Zentrum der Aufmerksamkeit steht, wo er als Modell für Kampftruppen und die „neue Arbeiterschaft“ dient, haben die Ergebnisse jahrzehntelanger Ablauf- und Planungsforschung in Kybernetik und Komplexität noch kein breites Publikum erreicht. Die Wertschöpfung sozialen Wachstums und selbstbestimmten Empowerments scheint offenbar nicht in der wirtschaftlichen Rechnung auf, die die Logik des informationellen Military-Entertainment- Komplexes vorantreibt.

Ähnlich den Auseinandersetzungen in der netzwerkzentrierten Kriegsführung, in der keine einzelne Plattform das Herz des Systems darstellt, kann eine rhizomatische Kontrollgesellschaft mit vollem Zugang aber ohne Rechenschaftspflicht durch repressives Netzwerkmanagement strukturiert werden. Um zu vermeiden, dass man in die Hände jener spielt, die Netzwerke als eine weitere Metapher für „Downsizing“, Outsourcingpraktiken und soziale Ausbeutung verstehen, müssen wir eine Kritik des Konzepts „Unabhängigkeit“ entwickeln und Kontexte schaffen, in denen neue Agendas gesetzt, Ressourcen geteilt und Projekte geschaffen werden. Pauline van Mourik Broekman greift diese Diskussion in ihrem Artikel auf: http://freebitflows.t0.or.at/f/about/broekman

Netzwerkpraxis verändert alles – nicht über Nacht und nicht notwendigerweise mit vorhersehbaren Resultaten. Aber sie öffnet neue Potentiale, die mit der Unterstützung lokaler Zellen und Koalitionen realisiert werden müssen. Pit Schulz erforscht, was ein neues „Netzwerk“-Radio sein könnte, und wie wir analoge Ausstrahlung mit digitalem Filesharing kombinieren können, um eine der ältesten elektronischen Medienformen wiederzubeleben. Das Ziel ist klar: neue Plattformen für Experimente zu schaffen; Plattformen, die nicht gezwungen sind, ausschließlich auf den Markt oder öffentliche Förderungen zu vertrauen, sondern stattdessen auf die Einfallsfreudigkeit innerhalb eines Netzwerkes gesunder Communities zurückgreifen können.

Steven Kovats verwendet in seinem Essay Marcel Duchamps Idee des „Infrathin“ (der Wärme der Sitzfläche eines Stuhls, nachdem die Person aufgestanden ist) um „Netzwerktemperatur“ zu messen. Können wir überhaupt Wärme und neue Formen sozialer Interaktion über Zeit und Raum hinweg innerhalb kalter technologischer Netzwerke ohne Empathie schaffen?

Bevor wir es uns zu gemütlich einrichten, ist es wichtig sich daran zu erinnern, dass all diese Experimente und Diskurse auf heiß umkämpftem Terrain stattfinden, auf dem mächtige Kräfte soziales Handeln gerne auf Kauf und Verkauf reduzieren würden. Der Hauptkampfplatz ist das Filesharing. Die Lieblingswaffen gegen Freiheit und Zusammenarbeit sind Digital Restrictions Management (DRM) und drakonische gesetzliche Sanktionen, die ein Niveau an „Netzwerkkontrolle“ einzusetzen drohen, das nur als totalitär bezeichnet werden kann. Aber die Schlacht ist noch nicht verloren. Das bedenklichste Anliegen restriktiver technologischer Systeme, nämlich sich in ein allumfassendes Netz ferngesteuerter Kontrolle zu entwickeln, scheint auch ihr schwächster Punkt zu sein. Da die Intelligenz der „Straße“ schon oft ihre Fähigkeit bewiesen hat, die Codes und Schaltungen dieser Kontrollinstrumente knacken zu können, war die einzige Antwort zu dieser Gegenintelligenz von unten die Schaffung „wasserdichter“ Kontrollumgebungen und Barrieren in allen technischen, sozialen, kulturellen und juristischen Bereichen. Aber diese angestrebte Totalität des neuen Informationsfeudalismus weist Risse auf, die so breit sind, dass sie jederzeit als Einstiegspunkte für eine asymmetrische Subversion von den Rändern her dienen können. Wie auch eine berühmte Microsoftstudie schließt: die etablierten Kräfte haben keine Chance gegen die Realität des so genannten „Darknet“.

Es scheint daher umso lohnenswerter zu erforschen, was genau diese sagenumwobenen Parallelnetzwerke sind und wie ihre Dynamik eingesetzt werden kann. In Anbetracht der Tatsache, dass offizielle Ökonomien in gewisser Weise immer von Schwarzmärkten in allen Grauabstufungen abhängig sind, sollte es nicht allzu weit hergeholt sein, unterirdische Informationstunnels einer urbanen „Dritter Mann“-Ökonomie als Basis positiver Veränderung in mediatisierten menschlichen Beziehungen zu untersuchen. Während die Datenschutzrechte großer Firmen Priorität gegenüber jeglicher Art des Schutzes von BürgerInnen- und Menschenrechten erlangt haben, könnten Dark Fiber und Krypto-Peer-to-Peer-Netzwerke die rechtlichen Vorteile solcher Firmen ausnützen. Wenn Zensur durch Bequemlichkeit und Zustimmung zu Identifizierungsfiltern zu Hauptbestandteilen eines Speiseplans von Datenkörpern werden, dann könnte es auch andersrum funktionieren: Anonymität durch Untätigkeit.

Das Nachdenken über Alternativen einer Netzwerkzukunft erfordert Zugang zu einem Wissenskorpus, der direkt mit einer lebendigen kulturellen Praxis verwoben ist, die auf Netzwerken von Austausch und Verbreitung fußt. Cluster offener Informationskulturen, die auf Knotenpunkten semiotischer Demokratie beruhen, Streams für die Stimmen der Anderen, syndikalisierte anonyme und sichere Orte sowie Archive für die digitale öffentliche Sphäre stellen Richtlinien für die Erforschung verschiedener Optionen in der Gestaltung von Informationsgesellschaften dar. Die inoffiziellen Tauschbörsennetzwerke könnten zu Blaupausen für dezentralisierte Kompensationsarrangements werden, die an den großen TorwächterInnen der Inhalts- und Eigentumsrechtsindustrien vorbeigehen. Organisationsintelligenz für unabhängige ProduzentInnen ist vor allem eine soziale Kompetenz. Aber seit Software für das Verschlüsseln von e- Mails in vielen Ländern unter die Gesetzgebung für Waffenbeschränkung gestellt wurde, könnte sich das Fehlen struktureller Organisationswerkzeuge und Such- und Indizierungsressourcen noch als kritischer Punkt in der Ermächtigung lokaler Player herausstellen.

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